Hier finden Sie vom Team der Literarischen Kurse zusammengestellte Informationen und Hinweise rund um den aktuellen Fernkurs »klassikLESEN«:
- Medien- und Lese-Tipps,
- ausgewählte Veranstaltungshinweise,
- sowie Links in die (benachbarte) Bücherwelt.
Lese-Tipp im September 2025
Marlene Streeruwitz: Die Reise einer jungen Anarchistin in Griechenland. S. Fischer 2014 Cornelia ist zu spät. Zu spät für die Fähre, die sie nach Athen bringen soll, zu Marios, dem jungen Rebellen, zur Demo gegen die Verhaftung vermeintlich illegaler Sexarbeiterinnen. Cornelia verpasst also den Anschluss und verpasst zugleich den geplanten Ablauf einer anarchistischen Intervention im fremden Land. Dafür beginnt die Stücklung einer Reise, die zwischen Odyssee und Roadmovie liegt. So wird ihr nach der verpassten Fähre eine (von vielen) Mitfahrgelegenheit angeboten und das scheinbar umsonst.
Cornelia nutzt die Chance gegen ihr Bauchgefühl, schifft live in eine dubiose Güterübergabe, fühlt sich recht unwohl und verlässt Bord über die Reeling. So folgt Mitfahrgelegenheit nach Mitfahrgelegenheit und so folgt auch eine Begleitfigur nach der anderen. Es sind Frauen, mit denen die knapp 18-Jährige Solidarisierung findet – auch wenn dies nur holprig vorangeht und schlussendlich die Reise doch noch gelingt. In Athen aber ist Marios, der Anarchist, noch immer nicht zu finden, dafür gerät Cornelia in die Wirren und die plötzlich gewaltvolle Realität der Demonstration. Da wabert Tränengas, da packen Polizisten ein bisschen gröber zu als notwendig, da fällt schließlich auch für Cornelia eine Gefängniszellentür ins Schloss. Am Ende löst sich dann doch alles wieder. Cornelia bleibt freie und wenig bedeutende Tourist-Anarchistin, Marios hingegen wird als Unfallopfer in den Wirren der Demo in die Arbeitsunfähigkeit gedrückt. Krankenversicherung, soziales Auffangnetz, Kostenübernahme Fehlanzeige. Der Ernst der finanziellen Notlage eines hochverschuldeten Landes drückt sich durch die Erzählung aus, durch die Cornelia aus Beobachterin gleitet, und verdichtet sich zum Ende hin, als die eigene Odyssee ausgelaufen ist. Ich bemühe mich, an ein Wunder zu glauben, aber das wird manchmal sehr schwer, reüssiert Cornelia, die den gesamten Roman hindurch als mundartige Ich-Erzählerin ihre Abenteuer rückblickend zu relativieren versucht. So drastisch, so gefährlich, so ernst wären die Situationen ja wohl eh nie gewesen, aber sie habe aus plötzlicher Angst überreagiert oder ihrem Bauchgefühl einen Vorzug gegeben.
iris gassenbauer |
_______________________________
>>> Hier finden Sie unsere Link-Sammlung zu verschiedensten Institutionen, Zeitschriften, Plattformen und Webseiten rund um die Themen Literatur, Bücher und Lesen.
_______________________________